Erfahrungen mit DSL über Funk

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Anno Magenta

Niederjosbach. Ein kleines, ruhig gelegenes (viel zu ruhiges) und dennoch von der Infrastruktur her perfekt angebundenes Dorf. Nur bei der berühmten “Datenautobahn” hapert es gewaltig. Wenigstens gibt es hier seit vielen Jahren schon DSL, wenn auch geschwindigkeitstechnisch sehr bescheiden. Aber auch seit ebenso vielen Jahren verspricht die Telekom sogar in diesem “Kuhkaff” immer höhere Bandbreiten im Laufe der Zukunft. Einige Male schon bekamen wir diese Erhöhung zu spüren. Von DSL 1000 auf 2000, auf 3000, auf… und weiter? Nun, danach ging es dann vor 3 Jahren bergab, runter auf 1,5 MBit/s. Und ohne eine Mitteilung des Providers, was mich aber auch nicht wirklich verwundert. Ein Anruf bei der Support Hotline brachte Klarheit: Im Dorf haben mittlerweile zu viele Leute einen DSL Anschluss, weshalb bei allen die Geschwindigkeit runtergeschraubt wurde. Na wunderbar, wurde uns doch erst versprochen, dass im kommenden Herbst DSL 6000 geplant sei, was aber auch schon seit gefühlten Ewigkeiten angekündigt wurde. Warten auf Besserung hat, wie so oft, hier keinen gewünschten Effekt erzielt. Und auch die Stadt konnte nichts gegen die Sturheit der Telekom ausrichten. In einem Gewissen Maße, und unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet, ist das Verhalten des rosa Riesen auch nachvollziehbar. W+rden schon alleine 150.000 € für unser Dorf draufgehen, um uns mit DSL 16.000 zu versorgen. In komplett Eppstein sind es weit über 300.000 € zu viel für die Stadt. Und ein Preisnachlass wäre zu unrentabel für die Telekom.

Alternativen

Ein Lichtblick gab es jedoch kurz darauf. “DSL über Funk”, so der Titel der Alternative. Realisiert wird das ganze über Richtfunk von dem Unternehmen “Funknetz HG” aus Bad Homburg. Mit den Preisen der Erstinstallation und die laufenden Kosten konnten sich jedoch viele Dorfbewohner nicht anfreunden. Und so kam es, dass wieder einmal der Traum vom schnellen Internet zerplatzte. Aber auch der lokale Kabelnetzbetreiber Unitymedia stellte sich quer. Ärgerlich vor allem deshalb, da in Niederjosbach nie TV Kabel gelegt wurden, im Nachbarort Bremthal jedoch liegen in einigen Neubaugebieten Fernsehkabel. So kann man dort teilweise bis zu 128 MBit/s “empfangen”, auf dem Land! Eine Verlegung dieser Kabel kommt hier aber auch nicht in Frage, da das Dorf vollständig bestückt werden müsste und auch nicht jeder Anwohner damit einverstanden wäre, seinen Vorgarten umgraben zu lassen. Bei gefühlten 80 % Scheintoten findet man da leider kaum Anklang, um solche Probleme anzugehen. Und für einen einzigen Interessenten wird kein Betreiber die Straße aufbuddeln. Fassen wir zusammen: Funknetz (zu teuer für die meisten aus unserem Dorf), Telekom und Unitymedia (zu teuer für die Anbieter) und lokale “Glasfaserverleger” helfen uns auch nicht aus der Misere. Diese konnten aber einige Nachbarorte halbwegs erfolgreich mit VDSL erschließen. Wir hätten auch noch die Möglichkeit gehabt, über QSC eine Richtfunklösung zu erhalten. Dies schließt jedoch symmetrische Geschwindigkeiten ein, da deren Angebote für Geschäftskunden gestaltet wurden. Entsprechend teuer wäre also ein 6000er Anschluss mit über 300 € im Monat. Zu viel für unser Portmonaie.

Der Umstieg aufs Funknetz

Die Hoffnung wollte ich dennoch nicht aufgeben. Es dauerte über ein Jahr, bis sich in der Sache was bewegte. Erst als wir (mein auf schnelles Internet angewiesener Vater und ich) die Funknetz Firma kontaktierten - es gingen schon viele “Wir können nichts tun” Anrufe voraus - und sie darauf hinwiesen, dass wir freie Sicht auf nach Bremthal haben (dort wurde bereits ein geeigneter Relaisstandort gefunden), kam die Sache ins Rollen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens kam direkt am nächsten Tag vorbei und bestätigte unsere Prognosen. Der Aufbau der Relaisstation auf unserem Dach verzögerte sich allerdings wetterbedingt um einige Wochen. Im Juni 2011 gingen wir online. Da wir uns als Verteiler für Niederjosbach anboten haben, bekamen wir einige Vorteile, auf die ich hier aber nicht eingehen werde. Nun, DSL 16000 soll laut Techniker möglich sein. Anfangs begnögten wir uns erst einmal mit 6000 für die Testphase. Es stellte sich schnell heraus, dass wir überhaupt keinen Leistungszuwachs spürten und der Upload (2000 KBit/s sollte es sein) unzufriedenstellend vonstatten ging. Wir fanden nach einigen Tagen heraus, dass unsere FritzBox den Geist aufgegeben hatte und das Problem dieser geschuldet war. Mit neuer FritzBox war ein enormer Schub zu spüren. Selbst HD Videos auf Youtube liefen problemlos ohne Ruckler. Einige Wochen später stiegen wir auf die 16000er Variante um, anfänglich kamen jedoch nur 9000 KBit/s an. Doch auch der Sprung auf 9 MBit/s war enorm zu spüren, der auf 16 MBit/s ebenfalls, nachdem noch etwas gedreht wurde seitens des Betreibers. Uploads sind nun auch keine Qual mehr und mit 250 KB/s endlich angenehm. Es wäre auch möglich, das Telefon über VOIP laufen zu lassen, wir entschieden uns jedoch für die Telekom Lösung. Verbindungsabbrüche (des Funknetzes) gab es während der letzten 2 Monate nie. Einige Male machte der DNS Server Probleme. Durch die Eintragung alternativer Server ließ sich dieses Problem aber auch innerhalb von 2 Minuten umgehen. Eine Drosselung erfolgt bei der Full Flatrate ab 25 GB, allerdings nur auf 1 MBit/s und in der Zeit zwischen 15 und 23h. Relaiskunden haben hierbei etwas andere Konditionen. Wir sind bisher nur einmal über die Grenze hinaus gekommen. Das monatliche Datenvolumen reichte uns also völlig, und das obwohl wir nicht gerade wenig im Internet unterwegs sind. Wie viel wir jedoch genau verbrauchen, haben wir nicht gemessen. Für gemütliche Zockerunden im Internet eignet sich diese Lösung auch sehr gut, da der Ping meist zwischen 10ms (Speedtest) und 18-20ms (real / ingame) liegt. Und auch zu Stoßzeiten haben wir bisher von Leistungseinbußen nur selten etwas gemerkt. Laut Betreiber überbuchen andere Anbieter ihre Leitungen bis zu 100 fach, sie selbst jedoch nur maximal 20 fach. Wie es sich verhält, wenn noch weitere Interessenten an das Netz andocken, wird sich im Laufe der Zeit noch zeigen. Ich vermute, da das Signal aus Niederjosbach über Bremthal läuft und dort auch noch einige Leute dranhängen, sich in naher Zukunft auch die Stoßzeiten wieder bemerkbar machen werden.

Tarife & Konditionen

Da die Tarife sich jederzeit ändern können, verweise ich hier lieber auf die Webseite des Anbieters. Erwähnenswert ist jedoch, dass die Zugangsdaten in der Antenne gespeichert sind und man eine feste IP Adresse zugewiesen bekommt.

Fazit

Gemessen an der hohen durchgängigen Leistung und überraschenden Stabilität (auch bei schlechtem Wetter), sowie die für Richtfunk fairen Konditionen kann ich diese Lösung für DSL-unterversorgte Regionen sehr empfehlen. Wem die Drosselung ein Dorn im Auge ist, muss sich damit abfinden. Daran wird sich nichts ändern. Aber da es keinen 99%en Leistungsabfall, wie bei vielen LTE Anbietern (Drosselung auf 364 KBit/s), gibt, ist auch die Drosselung zwischen 15 und 23h ein auf Dauer noch zu verkraftendes Ãœbel. Als Normalanwender wird man diese Grenzen (zumindest bei der Full Flatrate) vermutlich nicht überschreiten. Aber wenn es im eigenen Dorf keine zufriedenstellende Lösung gibt, ist dies noch die beste Alternative für schnelles Internet auf dem Land.